BLAD (Bovine Leukozytenadhäsionsdefizienz)
Die Bovine Leukozytenadhäsionsdefizienz ist eine erblich bedingte Immunschwäche beim Holstein Rind mit tödlichem Verlauf. Betroffene Tiere besitzen eine gestörte zelluläre Immunabwehr und erkranken bzw. sterben daher schon in den ersten Lebenswochen an banalen Infektionen. Die genetische Ursache der Erkrankung ist ein Einzelbasenaustausch im sogenannten CD 18 Gen. Diese Mutation resultiert in einer verminderten Ausbildung spezieller Oberflächenproteine (sogenannter Beta-2-Integrine) der Leukozyten. Fehlen diese Haftungsproteine auf der Zelloberfläche der Leukozyten, können sie nicht mehr aus dem Blut in Richtung eines Infektionsherdes auswandern.
Da diese Erkrankung autosomal rezessiv vererbt wird, erkranken nur reinerbige Tiere mit 2 Kopien des mutierten Gens an BLAD. Heterozygote Tiere (= Anlageträger) bleiben zwar klinisch gesund, vererben jedoch die Mutation mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an ihre Nachkommen. Aus einer Anpaarung zweier Anlageträger entstehen somit mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% an BLAD erkrankte Tiere (= Merkmalsträger).
Der genetische Test erfolgt durch eine direkte Analyse der zugrundeliegenden Mutation im CD 18 Gen. Mit dieser Untersuchung lassen sich reinerbig gesunde Tiere (BLAD-F = homozygot BLAD-frei), mischerbige Anlageträger (BLAD-A = heterozygoter BLAD-Anlageträger) und reinerbig kranke Tiere (BLAD-M = homozygoter BLAD-Merkmalsträger) eindeutig identifizieren.
BMS (Bovine Männliche Subfertilität)
Der Defektlokus BMS auf Rinderchromosom 19 stellt eine genetische Ursache für eine deutlich eingeschränkte bis fehlende männliche Befruchtungsfähigkeit beim Fleckvieh dar. Es wird davon ausgegangen, dass dieser Erbfehler in reinerbiger Ausprägung für den überwiegenden Anteil der Fälle von eingeschränktem Befruchtungsvermögen bei Fleckviehbullen verantwortlich ist. Bullen anderer Rassen sind ebenso wenig betroffen wie mischerbige Fleckviehbullen oder weibliche Tiere. Der Gendefekt konnte bis zum Bullen Haxl (*1966) zurückverfolgt werden und ist bei den derzeit im Besamungseinsatz befindlichen Bullen mit hoher Frequenz vertreten.
Durch einen Gentest ist es nun auf einfache Weise möglich, Anlageträger und fertilitätsgestörte Bullen frühzeitig zu erkennen.
DW (Zwergwuchs, Dwarfism)
Zwergwüchsige Kälber (DW = engl. Dwarfism) beim Fleckvieh sind schon seit langer Zeit bekannt, treten jedoch bislang nur sehr selten auf. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch niedrige Geburtsgewichte sowie ein eingeschränktes Wachstum der Kälber. Eine Mutation im Gen GON4L ist bei homozygoter Ausprägung verantwortlich für die Erkrankung. Es wird empfohlen, Risikoanpaarungen konsequent zu vermeiden und so die Frequenz der Mutation in der Population niedrig zu halten bzw. weiter zu reduzieren.
Durch eine gendiagnostische Untersuchung ist es möglich, Anlageträger für diese Erkrankung sicher zu erkennen und Risikoanpaarungen zu vermeiden.
BH2 (Braunvieh Haplotyp 2)
Eine missense Mutation im TUBD1 Gen des Rinderchromosoms 19 ist ursächlich für den als Braunvieh Haplotyp 2 (BH2) bezeichneten Gendefekt.
Betroffene reinerbige Tiere werden mit deutlich unterdurchschnittlichen Geburtsgewichten weder tot geborenen oder verenden bei Lebendgeburt meist innerhalb der ersten 50 Lebenstage. Phänotypisch auffällig sind vor allem die spitze Kopfform sowie ständig wiederkehrende Bronchopneumonien.
Seit dem Jahr 2014 ist bekannt, dass die mit dem BH2 Haplotypen in Verbindung stehende Mutation auch in einigen Fleckviehlinien auftritt.
Mit Hilfe eines entwickelten SNP-Tests kann auf den BH2 Erbfehler untersucht werden, um somit Risikopaarungen zu vermeiden und die Häufigkeit des Defektgens in der Population weiter zu verringern.
BH14 (Braunvieh Haplotyp 14)
BH14 beschreibt eine im Jahr 2021 entdeckte genetische Störung beim Braunvieh, die mit dem MRPL55- Gen in Verbindung steht. BH14 verursacht Fruchtbarkeitsstörungen, indem der Defekt in reinerbigem Zustand zum embryonalen Frühtod führt. Bekannte Träger dieses Erbfehlers sind zum Beispiel die Stiere R Hart Christians Ace und R Hart TC Denmark.
FH2 (Fleckvieh Haplotyp 2)
FH2 (Fleckvieh Haplotyp 2), auch Fanconi-Bickel Syndrome genannt, beschreibt eine lange Zeit unbekannte, von Zwergwuchs-Syndrom unabhängige Genomregion, die in reinerbiger Form zu deutlichem Minderwuchs der betroffenen Tiere führt. Geburtsgewicht und Frühentwicklung erscheinen dabei zunächst weitgehend normal, nach dem Absetzen der Milch bleiben die betroffenen Kälber jedoch deutlich in Wachstum und Entwicklung zurück.
Als Ursache der Erkrankung konnte eine Mutation im SLC2A2-Gen identifiziert werden, das für die Synthese eines Glucose Transporterproteins verantwortlich ist.
Aufgrund dieser Erkenntnisse ist es mittels Einsatz von Gentests nun möglich, systematische Selektion und Anpaarung umzusetzen, um die Frequenz dieser Mutation in der Fleckviehpopulation zu kontrollieren.
FH4 (Fleckvieh Haplotyp 4)
Fleckvieh Haplotyp 4 (FH4) beschreibt einen autosomal rezessiven Letaldefekt auf Chromosom 12. Als Ursache für diese Erkrankung konnte eine Mutation innerhalb des SUGT1 Gens ermittelt werden.
Tiere, die homozygot für diesen Gendefekt sind, haben geringe bis keine Überlebenschancen. Meist führt der Defekt bereits innerhalb der ersten Trächtigkeitswochen zum embryonalen Abgang oder im späteren Verlauf zur Totgeburt. Bullen mit FH4- Trägerstatus weisen jedoch im praktischen Deckeinsatz ähnliche Befruchtungsraten auf wie FH4- freie Stiere.
Durch gendiagnostische Methoden kann der FH4- Status eines Tieres zuverlässig identifiziert werden. Dadurch wird es möglich, Risikoanpaarungen zu vermeiden und durch eine moderate Selektion die Frequenz des Defektgens weiterhin zu reduzieren.
FH5 (Fleckvieh Haplotyp 5)
Anpaarungen mischerbiger FH5-Trägertiere sind gekennzeichnet durch einen deutlich erhöhten Anteil an Kälberverlusten innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Geburt bedingt durch angeborene Herzinsuffizienz und schwere Leberschäden beim Fetus.
Aufgrund der ausgeprägten ökonomischen Konsequenzen sowie der tierschutzrelevanten Bedeutung der Erkrankung, ist eine züchterische Bearbeitung zwingend erforderlich, um die Häufigkeit dieser unerwünschten Mutation in der Population zügig zu senken.
Unter Verwendung gendiagnostischer Methoden kann der Fleckvieh Haplotyp 5 zuverlässig identifiziert und in der züchterischen Praxis berücksichtigt werden.
Gaumenspalte (Limousin Rind)
Die erblich bedingte Gaumenspalte wird durch einen 2018 bei Limousin Rind entdeckten Gendefekt verursacht. Das Krankheitsbild ist gekennzeichnet durch einen offenen Gaumen. Betroffene Kälber haben deutliche Probleme bei der Milchaufnahme und hierduch bedingt ein hohes Sterblichkeitsrisiko durch mögliches Ersticken oder Lungenentzündung infolge Aspiration.
Durch Untersuchung der auslösenden Mutationen im MYH3 Gen kann die genetisch bedingte Gaumenspalte eindeutig von erworbenen Formen (z.B. durch Aufnahme von alkaloidhaltigen Pflanzen, wie Lupinen, Kreuzkraut oder Herbstzeitlose durch das Muttertier oder durch BVD -Virusinfektion ausgelöste Form) differenziert werden. Zuchtentscheidungen können über die Untersuchung ebenfalls gezielt getroffen und so erkrankte Tier vermieden werden
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MH1 (Montbeliard Haplotyp 1)
Die unter der Bezeichnung MH1 geführte missense Mutation im PFAS-Gen ist eine von zahlreichen beschriebenen Abort verursachenden Mutationen, die bislang bei Rindern beschrieben wurden. MH1 hat einen signifikanten Effekt auf die Abkalberate da sie in reinerbigem Zustand zum Abort des Fötus führt. MH1 ist in den Rasse Montbeliard und Vorderwälder Vieh bekannt.
MH2 (Montbeliard Haplotyp 2)
Die unter der Bezeichnung MH2 geführte missense Mutation im SLC37A2-Gen ist eine von zahlreichen beschriebenen Abort verursachenden Mutationen, die bislang bei Rindern beschrieben wurden. MH1 hat einen signifikanten Effekt auf die Abkalberate da sie in reinerbigem Zustand zum Abort des Fötus führt. MH1 ist in den Rasse Montbeliard und Vorderwälder Vieh bekannt.
Progressive Ataxie
Die progressive Ataxie beim Charolais Rind beschreibt einen autosomal-rezessiv vererbten Erbfehler mit tödlichem Verlauf. Ursächlich für die Erkrankung ist eine Veränderung KIF1C Gen, die mit einem Funktionsverlust des Gens und daraus resultierend mit einem Abbau von weißer Substanz in spezifischen Gehirn- und Rückenmarksarealen einhergeht.
Die Erkrankung beginnt zumeist schleichend im Alter von 18 bis 24 Monaten, seltener entwickeln auch Tiere über 2 Jahre noch erste Symptome. Bei betroffenen Kälbern und Tieren im Alter von wenigen Monaten hingegen sind noch keinerlei Anzeichen der Erkrankung zu erkennen. Durch den fortschreitenden Abbau von Gehirn- und Rückenmarkssubstanz zeigen erkrankte Tiere zentralnervöse Ausfallerscheinungen mit unkoordiniertem Gang, Überkreuzen der Hinterbeine, sowie sich im weiteren Krankheitsverlauf verschlimmernden Bewegungsstörungen bis hin zum Festliegen. Als weitere mögliche Symptome wurden abrupte Kopfbewegungen und stoßweiser Harnabsatz beobachtet.
Für die auslösende Mutation im KIF1C Gen steht ein Gentest zur Verfügung, mittels dessen Anlage- und Erbfehlerträger sicher erkannt werden können. So können betroffene Tiere weit vor dem Auftreten von Krankheitssymptomen identifiziert werden und eine Anpaarung von Anlageträgern, aus der mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% Ataxie-Merkmalsträger entstehen würden, sicher vermieden werden.
WEAVER (Bovine Progressive Degenerative Myeloencephalopathie)
Die Bovine Progressive Degenerative Myeloencephalopathie ist eine erbliche Erkrankung des zentralen Nervensystems beim Braunvieh mit autosomal rezessivem Erbgang. Erste Krankheitszeichen entwickeln sich bei den betroffenen Tieren im Alter von mehreren Monaten. Diese zeigen sich in Form von Nachhandschwäche, Schwierigkeiten beim Aufstehen und unsicherem, schwankendem Gang (to weave = hin- und herschwanken).
Im weiteren Verlauf der Erkrankung verschlimmern sich die genannten Störungen und führen letztendlich innerhalb von 1-3 Jahren zum Festliegen des erkrankten Tieres und zum Tod. Die genetische Grundlage dieses Krankheitsbildes ist seit einiger Zeit geklärt, so dass Anlageträger dieser Erkrankung sicher erkannt werden können.
SDM (Spinale Dysmyelinisierung)
Die Spinale Dysmyelinisierung ist eine beim Braunvieh beobachtete Erkrankung des zentralen Nervensystems, die durch eine mangelhafte Ausbildung von Myelinscheiden in den betroffenen Nervenzellgebieten gekennzeichnet ist. Die erkrankten Kälber liegen zumeist gleich nach der Geburt in Seitenlage mit nach vorne gestreckten Gliedmaßen fest. Der Kopf ist häufig nach oben hinten gerichtet (‚Mondguckerhaltung‘); in Brustlage verbracht bleibt die Kopfhaltung jedoch längere Zeit normal. Die spinalen Reflexe sind z.T. deutlich übertrieben.
Da die betroffenen Kälber auf keinerlei Therapie ansprechen, werden sie meist innerhalb der ersten Lebenswochen euthanasiert. Der für diese autosomal rezessive Erkrankung verantwortliche Gendefekt ist seit kurzem vollständig aufgeklärt. Mittels direkter Gendiagnose der zugrundeliegenden Mutation lassen sich reinerbig gesunde Tiere, mischerbige Anlageträger der Erkrankung, sowie reinerbige erkrankte Tiere zweifelsfrei differenzieren.
SMA (Spinale Muskelatrophie)
Bei der Spinalen Muskelatrophie handelt es sich um eine autosomal rezessiv vererbte Erkrankung beim Braunvieh. Die Symptomatik der Erkrankung wird durch den Untergang motorischer Neurone in Rückenmark, Hirnstamm und motorischen Hirnrindenbereichen hervorgerufen. Als Folge des Nervenzellschwunds zeigen die betroffenen Kälber im Alter von wenigen Wochen Muskelschwäche bzw. Schwund der Skelettmuskulatur mit Festliegen in Brustlage, herabgesetzten spinalen Reflexen und pumpender Atmung. Die Tränkeaufnahme ist dabei meist erhalten. Als Komplikation entwickelt sich im weiteren Krankheitsverlauf oft eine sekundäre Pneumonie. Die Erkrankung verläuft innerhalb weniger Wochen tödlich.
Die kausale Mutation dieser Erbkrankheit ist seit einiger Zeit bekannt, so daß Anlageträger für diese Erkrankung durch eine gendiagnostische Untersuchung sicher erkannt werden können.
Arachnomelie (Spinnengliedrigkeit) beim Fleckvieh und Braunvieh
Spinnengliedrigkeit ist eine sowohl beim Fleckvieh, als auch beim Braunvieh bekannte autosomal-rezessiv vererbte Entwicklungsstörung des Skelettsystems, die zur Geburt von toten oder nicht lebensfähigen, mißgebildeten Kälbern führt und dabei mit einem erhöhten Verletzungsrisiko für das Muttertier verbunden ist.
Nachdem die molekulargenetische Ursache der Erkrankung zunächst für das Braunvieh aufgedeckt werden konnte, sind die zugrundeliegenden Mechanismen seit einigen Jahren auch für das Fleckvieh geklärt. In beiden Rassen führen unterschiedliche Genmutationen auf verschiedenen Chromosomenabschnitten zum Funktionsverlust von im Knochenstoffwechsel beteiligten Enzymen und den daraus resultierenden Störungen in der Knochenentwicklung. Durch die direkte Gendiagnose ist es in beiden Rassen möglich, reinerbig gesunde Tiere von mischerbigen Anlageträgern dieser Erkrankung zweifelsfrei zu differenzieren.
TP (Thrombopathie)
Die Thrombopathie (TP) des Fleckviehs beschreibt eine rezessiv vererbte Funktionsstörung der Thrombozyten (Blutplättchen), die bei betroffenen Tieren zu einer Störung der Blutgerinnung führt. Betroffene Tiere erscheinen augenscheinlich gesund und zeigen ein ungestörtes Allgemeinbefinden. Allerdings führen aufgrund der gestörten Blutgerinnung schon kleine Verletzungen zu teils massiven Blutungen.
Durch die Identifikation der ursächlichen Mutation ist es seit geraumer Zeit möglich, Anlageträger für diese Erkrankung zu identifizieren und dadurch Anpaarungen mit dem Risiko des Auftretens erkrankter Kälber zu verhindern.
DEB (Dystrophische Epidermolysis Bullosa)
DEB (Dystrophische Epidermolysis Bullosa) ist eine angeborene, autosomal rezessiv vererbte Hauterkrankung, die seit längerem beim Roten Höhenvieh sowie dem Vorderwälder Rind bekannt ist.
Erkrankte Kälber leiden neben hochgradigen erosiven Flotzmauldefekten auch unter Hautverlusten distal der Fesselgelenke. Betroffene Tiere müssen infolge der sich verschlimmernden Defekte und der damit einhergehenden Schmerzen meist innerhalb der ersten Lebenstage euthanasiert werden. Durch Forschungsarbeiten an der Universität Bern konnte die ursächliche Mutation erfolgreich identifiziert werden, so dass es nun möglich ist, über einen Gentest klinisch unauffällige Anlageträger sicher von erbgesunden Tieren zu unterscheiden.
ZDL (Zink Defizienz-ähnliches Syndrom)
ZDL (Zink Defizienz Like Syndrom) beschreibt eine erblich bedingte Erkrankung mit autosomal rezessivem Erbgang, die in seinem klinischen Erscheinungsbild Ähnlichkeiten zum fütterungsbedingten Zinkmangelsyndrom zeigt.
Betroffene Kälber weisen neben entzündlichen Hautveränderungen (Schuppen- und Krustenbildung) im Bereich von Schnauze, Augen, Brustbein und Extremitäten auch Erosionen in den Interdigitalräumen sowie erosiv/ulzerative Läsionen der Mundschleimhaut auf. Weitere klinische Anzeichen sind wiederkehrender Durchfall und Lungenentzündung, verzögerte Größen- und Gewichtszunahme sowie schlechter Allgemeinzustand. Erkrankte Tiere verenden in der Regel im Alter von einigen Wochen bis wenigen Monaten.
Als Ursache der Erkrankung wurde eine Punktmutation im PLD4 Gen identifiziert, über deren gendiagnostische Untersuchung klinisch unauffällige Anlageträger sicher von erbgesunden Tieren zu unterscheiden sind.